Funkleitbetrieb auf der Nebenbahn Malsfeld-Treysa

In den 1950er Jahren wollte die Deutsche Bundesbahn den Betrieb auf Nebenstrecken vereinfachen. Jeder kennt die roten Schienenbusse, deren Betriebskosten deutlich unter denen eines lokbespannten Zuges lagen. Zwischen Malsfeld und Treysa wurden auch streckenseitig Vereinfachungen getestet: dieser Abschnitt der Kanonenbahn wurde von nur noch einem (Linien-) Fahrdienstleiter gesteuert. Die Befehle an die Triebfahrzeugführer wurden per Funk übertragen und mittels Leuchtmelder angezeigt. Die Standorte der Fahrzeuge wurden auf dem gleichen Weg an das Streckenstellwerk gesendet und dort optisch angezeigt. Der Betriebsversuch begann am 16. August 1956 und endete ca. 1964 (6).

Erprobung

Bevor der Betriebsversuch am 16. August 1956 begann, wurden Vorversuche durchgeführt. Die „Hessischen Nachrichten“ vom 23. Mai 1953 berichteten von einem „merkwürdigen“ Zug, der zwischen Wernswig und Homberg/Efze pendelte. Er bestand aus einem MCI-43-Wagen und einer Kleinlok Köf2. Der Wagen war vollgepackt mit UKW-Funktechnik. Im Stellwerksgebäude wurde ein provisorischer „Kommandostand“ aufgebaut, auf dem Homberger Schloßberg stand eine mobile Antenne und eine Bretterbude mit den Sende- und Empfangseinheiten. Mit diesen Komponenten sammelte man Erfahrungen für den folgenden Betrieb.

Stationäre Anlagen auf dem Allmutsberg

Auf dem Allmutsberg südöstlich von Homberg standen ein 42 m hoher Sendemast und ein Betriebsgebäude. Dieses war über eine 4,5 km lange Leitung mit dem Streckenfunkstellwerk verbunden. Von dort aus wurde der Allmutsberg auch über eine 3kV-Leitung mit elektrischer Energie versorgt. Über Richtantennen mit einer Leistung von zusammen 50 W wird die 40 km lange Strecke komplett abgedeckt.

Stationäre Anlagen in Homberg/Efze

Der Linienfahrdienstleiter hatte seinen Arbeitsplatz im Stellwerk von Homberg. Auf dem Stelltisch waren die Strecken- und Hauptgleise dargestellt. Mittels Tasten konnten die Weichen gestellt werden. Belegte Gleise waren rot ausgeleuchtet. Zum Befahren von Nebengleisen mussten zuvor die Weichen aufgeschlossen werden. Die erforderlichen Schlüssel lagen in versperrten Schlüsselkästen auf den Triebfahrzeugen. Die Kästen konnten über Funkbefehl freigegeben werden. Im Stellwerksanbau waren die Stromversorgung und die Pufferbatterien für den Notbetrieb untergebracht.

Stationäre Anlagen an der Strecke

An der Strecke liegen an definierten Punkten sogenannte „Gleismagnete“ (nicht zu verwechseln mit den INDUSI-Magneten). Ein fahrzeugseitig angebrachter (Fahrort-) Empfänger liest beim Überstreichen des Gleismagneten eine Folge magnetischer Impulse. Diese Information wird im Fahrzeug um die Fahrzeugkennung ergänzt und an den Linienfahrdienstleiter gesendet. Auf dessen Stelltisch wird der belegte Streckenabschnitt rot ausgeleuchtet.

Anlagen in den Fahrzeugen

In den Fahrzeugen war ein Geräteschrank vorhanden, der mit verschiedenen Funktions-Einschüben ausgestattet war. Im Blick der Fahrzeugführers befand sich ein Anzeigegerät, welches die Fahr- bzw. Haltebefehle per Leuchtmelder anzeigte. Für Gespräche mit dem Streckenfahrdienstleiter stand ein Bediengerät mit Funktelefon zur Verfügung.

Schienenbus-Führerstand mit Einrichtungen für den Betriebszugfunk

Geräteschrank im Schienenbus VT95

Obwohl die Versuche erfolgreich verliefen, wurde dieser Weg nicht weiterverfolgt. Ab 1964 stand in Homberg wieder ein normaler Stelltisch (heute Exponat im Technik-Museum-Kassel). Die Stationen Malsfeld, Frielendorf und Treysa waren mit Fahrdienstleitern besetzt. Auf den Unterwegsstationen waren die Signale durchgeschaltet. In den 1960er Jahren fanden bei der U-Bahn Nürnberg erneut Versuche mit Funkbetrieb statt.
  • Signal und Draht 1951 Heft 2/3
  • Eisenbahntechnische Rundschau 1952 Heft 9/10
  • Radio Replaces German Railway Semaphores, ELECTRONICS, Januar 1957
  • Funk steuert Züge-das erste Funkstellwerk der Deutschen Bundesbahn, Fernmelde-Praxis, 1956
  • Betriebszugfunk Malsfeld-Treysa, Die Bundesbahn, Heft 6 /1957
  • Dr. Ing. Heinz Weidlich: Betriebszugfunk mit Signalübertragung, Die Bundesbahn, 1959
  • Funk steuert Züge- Erstes Funkstellwerk der DB wird in Betrieb genommen, Bundesbahn-Mitteilungen vom 24. Januar 1956
  • Hermann Friske; Die Kanonenbahn, Teil 54
  • Hessische Nachrichten vom 23. Mai 1953
  • Hessische Nachrichten vom 27. Januar 1956
Volker Credé, Kassel, im Mai 2022